Im Rahmen des Programms Erasmus+ nahmen vier Kolleginnen und Kollegen der BBS Idar-Oberstein, Harald-Fissler-Schule an einer organisierten Lernmobilität in Șanliurfa im Osten der Türkei teil. Ziel der Fortbildung war es, Einblicke in den Schulalltag zu gewinnen und die berufliche Bildung in der Türkei und deren Umsetzung in der Berufsschule kennenzulernen.
Zustande gekommen war der Kontakt durch die türkische Kollegin Ayfer Kilic, die im letzten Jahr über Erasmus vier Monate an der BBS Idar-Oberstein Deutsch als Zweitsprache unterrichtete.
Das deutsche Team bekam Einblicke in den Schulalltag. Neben dem Kennenlernen der Schulformen und der Hospitation im fächerspezifischen Unterricht stand der kollegiale Austausch im Mittelpunkt. Dieser konnte nur in dieser Form stattfinden, weil Silvia Meiers-Selçuk und Ayfer Kilic während der kompletten Zeit unermüdlich übersetzten.
In der Türkei besteht wie in Deutschland eine zwölfjährige Schulpflicht. Nach acht gemeinsamen Jahren können die Jugendlichen entweder das Abitur anstreben, um später zu studieren, oder sich an einer berufsbildenden Schule bewerben, um in Kooperation mit einem Betrieb eine vierjährige praktische Ausbildung zu absolvieren. Diejenigen, die in den beiden Schulformen keinen Platz bekommen, besuchen eine weiterführende, allgemeinbildende Schule mit Praxisanteilen.
Die Partnerschule Karakopru Mesleki ve Teknik Anadolu Lisesi gab Einblick in diese Schulform. Organisiert wurde diese komplette Fortbildungswoche vom stellvertretenden Schulleiter Selman Kharaman, der von dem zuständigen Sozialpädagogen Fatih Külkü und dem Lehrer für Buchhaltung und Finanzen Ibrahim Halil Çetintaş unterstützt wurde. Der Rundgang durch die Schule zeigte außerdem, dass die Schule inklusiv arbeitet. In einer Klasse werden Jugendliche mit geistiger Beeinträchtigung unterrichtet. Ein Höhepunkt an diesem ersten Tag war das Schauspiel anlässlich der Schlacht von Gallipoli 1915, zu dem die deutschen Kollegen und Kolleginnen eingeladen waren. In einem Theatersaal der Schule, in dem ungefähr 200 Schülerinnen und Schüler Platz fanden, wurden die Geschehnisse rund um den ersten Weltkrieg anschaulich in Szene gesetzt.
Am zweiten Tag der Fortbildung standen Hospitationen in den einzelnen Unterrichtsfächern auf dem Programm. Während Kai Mengeu, Lehrer für Elektrotechnik und Physik, die Gelegenheit hatte, sich über den Bereich regenerative Energien und Nachhaltigkeit in der schulischen Umsetzung zu informieren, erhielt Helmut Gerber, Lehrer für Fachpraxis Metalltechnik, Einblick in die Metallwerkstätten der kooperierenden Berufsbildenden Schule vor Ort, die nur einige Minuten von der Partnerschule entfernt liegt. Berufsschulpfarrerin Dorothee Lorentz hospitierte im Philosophieunterricht und freute sich über die Fragen der Schüler. Und die Schulsozialarbeiterin Silvia Meiers-Selçuk war begeistert von der Arbeit des schulinternen Kindergartens.
Der Besuch der berufsbildenden Schule Mesleki ve Teknik Egitim yoluyla sosyal ve ekonomik uyum hatte Helmut Gerber so begeistert, dass die Gruppe am dritten Tag erneut die Schule besuchte. Hier erhielt sie Einblicke in die Fachbereiche Elektronik, Mechatronik, Metall (Metallbauer, Zerspaner), Sanitär-Heizung-Klima, Holz und Informatik. Die Schule wurde vor Jahren von der EU gefördert und ist ausgezeichnet ausgestattet. Es folgte ein Besuch in einem Buchhalterbüro am Nachmittag sowie einer Einrichtung, die sich um Straßenkinder kümmert. Außerdem konnten die Lehrer und Lehrerinnen aus Deutschland tanzende Kinder einer Grundschule erleben und mit der Schulleiterin ins Gespräch kommen. Abschließend hospitierten sie in der Partnerschule die Abendkurse für Erwachsenenbildung. Hier haben mitunter Geflüchtete die Möglichkeit, sich in einem zwölfwöchigen Kurs weiterzubilden.
Neben all diesen Einblicken in die unterschiedlichsten Bildungseinrichtungen und dem kollegialen Austausch, der diese Fortbildung prägte und allen Beteiligten sehr viel Spaß machte, war die Gruppe begeistert von der Gastfreundlichkeit. Ein Tee zur Begrüßung eröffnete überall die Gespräche. Auch folgten sie einer Einladung der türkischen Kollegin und verbrachten den Abend mit Fastenbrechen in ihrer Familie. Zur Zeit des Ramadan verzichten gläubige Muslime und Muslima nach Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Essen und Trinken. Umso reichlicher fällt das Abendessen in dieser Zeit aus, dessen konnten sie sich vergewissern.
Auch kulturell wurde ihnen einiges geboten. Der Besuch des Basars sowie des Abrahamsees mit anliegender Moschee oder der Ausgrabungsstätte Göbekli Tepe standen auf dem Programm. In Midiat besuchte die Gruppe ein heute noch aktives Kloster orthodoxer Mönche und Nonnen und am Abend konnten sie die in den Felsen gebaute Stadt Mardin bewundern. Der letzte Abend beinhaltete ein gemeinsames Abendessen mit Folkloremusik und -tänzen.
Eine Woche voller interessanter und lehrreicher Erfahrungen durften die Kolleginnen und Kollegen erleben und sie freuen sich auf einen Gegenbesuch, der im kommenden Schuljahr geplant ist und zu einer zukünftigen Partnerschaft führen soll, um die freundschaftlichen Beziehungen zu stärken.